ein versuch die virtuelle distanz zu überwinden
finding artistic attitudes ...
wege zu eigenständigem künstlerischen handeln
Die Pandemie zwang uns im Mai 2020 zu absoluter Isolation in unsere Wohnungen. 'Home-office‘ und 'online-Lehre' waren die neuen Vokabeln. Wir stellten daher den direkten Kontakt über Videochats her, zeichneten, diskutieren, lachten und präsentierten in unseren privaten Räumen über Webcam und Uni-clouds miteinander.
Dabei überwanden wir die technische Ungeübtheit und stellten uns den Herausforderungen der digitalen Möglichkeiten, neues Erleben und künstlerisches Arbeiten auch über die virtuelle Distanz hinweg zu generieren. Ziel war es mit einfachen analogen Werkzeugen künstlerisch-praktische Arbeit in unseren kleinen (Wohn-)räumen ins Werk zu setzen und diese digital über das virtuelle Conference-tool Bigbluebutton zu präsentieren. Zur Aktivierung der Online-Kommunikation dienten kurze Wahrnehmungs- und Dialogformate. Es entstand ein Programm, bei dem sich aktive und reflexive Phasen abwechselten. Es wurden zeitgenössische Künstler*innen und Positionen der jüngeren Kunstgeschichte thematisiert.
Was ist Kunst? Wie und wo entsteht Kunst? Welche Moden und Spielregeln bestimmen den Kunstbetrieb? Wie können eigene Maßstäbe gefunden werden, welche ein künstlerisches Handeln legitimieren? Diese Fragen wurden im Projekt diskutiert.
Unter der Überschrift „start to work ... finding new perspectives and conditions" realisierten wir ausgehend von unseren individuellen Lebensräumen eigene Projektvorhaben, die in dieser Website und auch in einer Schaufenster-Ausstellung in der Trierer Str.12 in Weimar präsentiert werden. Die vorangegangenen Impulsformate des ersten Online-Semester im LAK sind ebenfalls auf dieser Website zu finden.
Schaufensterausstellung:
Triererstraße 12, 99423 Weimar
12.11.-19.11.2020, täglich von 16:00-19:00 Uhr
Freitag und Samstag: 14:00-19:00 Uhr
Mitwirkende:
anna cramer, anna danenaite, natalia chávez hoffmeister, simone krüger, celine loesche, josefin schmidt, sarah spitzer, katharina stangl, anni wolff, lia ziebell
Lehrende: francis zeischegg (verantw. für die künstlerische Praxis im LAK)
Tutorin: lia ziebell
e-Tutorin: anna danenaite
Texte: francis zeischegg
Website: anni wolff, lia ziebell, lea münnich, francis zeischegg
Bauhaus Universität Weimar
Fakultät Kunst und Gestaltung
Lehramt Kunsterziehung
Sommersemester 2020
Im Laufe des Kunst-Projektes "Finding artistic attitudes" stellten sich uns immer folgende Fragen: Welche Moden und Spielregeln bestimmen den Kunstbetrieb, und welche das Feld der Pädagogik? Wie können eigene Maßstäbe gefunden werden, die künstlerisches Handeln im Spannungsfeld der Doppelrolle des LehramtKunst legitimieren? Als Künstler*innen und als Vermittler*innen sind wir vor die Herausforderung gestellt, Theorie und Praxis zu verbinden. Wie können wir uns sowohl im Kunstfeld als auch im Lehrberuf behaupten, wie in diesem Spannungsfeld eine selbstbewusste und individuelle Haltung entfalten?
Hier findest du unsere individuellen Antworten:
natalia chavéz hoffmeister
Ich fokussiere mich auf Wahrnehmungen, wie wir individuell die Welt betrachten und wie wir sie persönlich erleben.
Wir sind gerade in einer Zeit wo alles relativiert und allgemein wird. Deswegen finde ich die Frage wichtig: ‚Wer bin ich und wo bin ich eigentlich?‘ als Ausgangspunkt immer sehr spannend.
Als Künstler*innen und als Vermittler*innen sollte man etwas teilen und mitteilen können. Es kann ganz minimal oder ein großer Spektakel sein, immer wird es interessant, wenn etwas 100% von uns selbst kommt. Dann wird immer etwas Ehrliches und „Neues“ stattfinden.
Ich denke, dass das Verbindung zwischen Kunstbetrieb und der Pädagogik ist. Das man in Dialog kommen kann.
Um eine selbstbewusste und individuelle Haltung zu entfalten und uns im Kunstfeld und im Lehrberuf behaupten zu können, sollten wir uns auf unsere Wahrnehmungen fokussieren. Wie betrachten wir die Welt ? Welche Fragen tauchen auf, wenn wir uns für etwas interessieren, und was tut das mit mir?
Wir sollten diese Prozesse bei uns selbst und Lernenden unterstützen und fördern um unsere Kreativität und Resilienz zu stärken.
lia ziebell
Künstlerisches und pädagogisches Arbeiten erscheinen im ersten Moment nicht miteinander vereinbar. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass sich gerade diese Kombination gegenseitig viel gibt und sogar bestärkt. Das vergangene online Semester hat gezeigt wie eng das Vermitteln auch mit dem Kunstmachen zusammenhängt. Wichtige Punkte, wie: Wie tausche ich mich aus, wie erlebe ich neue Erfahrungen, wie lerne ich neue Positionen kennen und wie präsentiere ich meine eigene Arbeit mussten neu ausgelotet werden. Und dies funktioniert nur mit gut durchdachten pädagogisch-didaktischen Konzepten.
Außerdem bin ich nie nur „Künstlerin“ sondern stecke immer in verschiedenen Rollen. Dies wird auch in den Mindmaps von Thomas Hirschhorn deutlich. Wo komme ich her, was möchte ich und was treibt mich an, sind wichtige Fragen, die man immer wieder mit sich selbst neu aushandeln muss. Dies gilt sowohl als Künstlerin wie auch als Pädagogin.
anni wolff
Als werdende Kunstlehrerinnen und -lehrer ist es an uns die pädagogischen Aspekte der Vermittlung mit denen der ästhetischen Ansprüchen und Techniken der Kunst zu vereinen um den Schülerinnen und Schülern einen neuen, gebildeten und vor allem reflektierten Zugang zum künstlerischen Arbeiten zu ermöglichen. Dabei ist es wichtig, dass wir uns nicht nur im Bereich der Kunst, sondern auch als Vermittlerinnen und Vermittler einen Raum schaffen, der respektiert und verstanden werden kann. Daher ist es von großer Bedeutsamkeit sich in beiden Welten zu engagieren und zu bilden, denn Sicherheit kommt mit der Erfahrung und dem Wissen, welche sich festigen, je stärker das Engagement und die Interaktion, nicht nur im pädagogischen, sondern auch im künstlerischen Bereichen sind. So bietet vor allem der Kunstunterricht die besondere Stellung ein offenes Aufgabenprinzip einzuführen und umsetzen zu vermögen. Dabei ist insbesondere die Eigeninitiative der Schülerinnen und Schüler gefragt. Vor allem das Erlernen von metakognitivem Wissen ist von großem Wert, da hierbei vermittelt wird, wie man Strategien erlernt, welche flexibel und kreativ eingesetzt werden können. Innovationen entstehen nicht durch das Abklappern bereits geebneter Trampelpfade und dem Auswendiglernen von Daten, sondern durch das Betreten von neuem Terrain. Vor allem diese Aufgabe kann insbesondere im Kunstunterricht individuell angesprochen werden.
simone krüger
Die eigne künstlerische Haltung zu entfalten und diese mit der pädagogischen Theorie und Praxis zu verknüpfen, stellt im Lehramt Kunst stets eine Herausforderung dar. Jedoch ohne Herausforderungen und neue Aufgaben bleiben wir sicher innerhalb unserer Grenzen und entwickeln uns nicht weiter. Die eigene Komfortzone aber zu verlassen und so den eigenen Horizont zu erweitern, kann durch einen individuellen, reflektierenden, selbstbestimmten und ästhetischen Prozess/ Erfahrung durchaus gemeistert werden. Denn selbst im vermeintlichen Scheitern liegt die Chance eines Erkenntnisgewinns inne. Dieses Scheitern, dieses Herumirren, dieses Abklopfen von verschiedenen Möglichkeiten, auch das Spüren des Widerstands von Materialien, bestimmten Konzepten, zeigt die Gegenwehr der Dinge auf mit denen wir es zu tun haben. Was unsere Sinne bewegt, ist also ästhetisch: Schönes und Hässliches, Angenehmes und Unangenehmes.
Ein wichtiges Ziel in der Kunstpädagogik ist die Ästhetische Erfahrung. Ästhetische Erfahrungen lassen sich sowohl rezeptiv als auch produktiv machen, sowohl in der Wahrnehmung ästhetischer Objekte und Phänomene als auch im eigenen Gestalten, sei es bildnerisch, musikalisch, dichterisch oder darstellerisch.
josefin schmidt
Klare ‚Spielregeln‘ in den Bereichen Kunstbetrieb und Kunstpädagogik gibt es meines Erachtens nach nicht. Spielregeln werden immer wieder neu verhandelt und Begrifflichkeiten neu definiert. Daher ist es wichtig mir, eigene Maßstäbe für mich selbst zu formulieren und diese ständig zu hinterfragen und zu reflektieren. In der Doppelrolle als Künstler*in und Kunstvermittler*in möchte ich die Waage zwischen beiden Feldern, Pädagogik und Kunstbetrieb, finden. Denn Kunstpädagog*in zu sein, schließt für mich nicht aus auch Künstler*in zu sein. Um beides zu verbinden ist es für mich wichtig, in beiden Bereichen offen für das verhandeln von ‚Spielregeln‘ zu bleiben und vielleicht sogar selbst neue Regeln zu definieren. Das experimentelle Arbeiten und die Verbindung zwischen online und analog halfen mir näher zu einer eigenen Formulierung meiner künstlerischen Haltung zu kommen und Standpunkte, die sich bereits gefestigt hatten auch zu hinterfragen.
sarah spitzer
Eine eigene künstlerische Position zu finden benötigt meiner Meinung nach Zeit, Offenheit und Experimentierfreude, ein großes Maß an Interesse und Neugierde, sowie die Bereitschaft zur Reflexion und zum Austausch.
Auch für die Tätigkeit der Kunstvermittlerin sind diese Faktoren entscheidet.
Ich selbst lerne mich mehr und mehr neben der Pädagogin auch als Künstlerin zu begreifen. Dieser Teil von mir ist mir wichtig und kann mir helfen, andere für mein Fach zu begeistern.
katharina stangl
Das Feld der Kunst und der Pädagogik ist für mich persönlich gar nicht so verschieden. In beiden Bereichen muss man vor allem offen auf Einflüsse und Aktionen von außen reagieren und sein eigenes Handeln immer wieder überdenken und neu strukturieren.
In beiden Bereichen gilt es, mit einem gewissen Grundplan sich auf die unvorhersehbare Situation einzulassen. Wie genau dieser Plan ist und wie sehr man von ihm abweichen möchte, kommt immer auf die Situation an.
Jede Person muss für sich selbst entscheiden, welche Rolle einen wichtigeren Stellenwert im eigenen Leben und Selbstbewusstsein einnimmt. Generell sehe ich es sogar als eine Art Pflicht an, als Kunstlehrer*in selbst kreativ tätig zu sein. Wie kann ich Begeisterung für mein Fach an andere weitergeben, wenn ich diese selbst nicht empfinde? Wirklich und vor allem langfristig faszinieren kann man nur, wenn man weiß, wovon man spricht und darin geübt ist. Das gilt sowohl bei handwerklichem Wissen als auch bei einem künstlichen Denken.
Die eigene Kunst kann Schüler inspirieren oder auch mit ihnen zusammen erstellt werden. Gleichzeitig können Eindrücke aus dem alltäglichen Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen kommen und künstlerisch verarbeitet werden. Die eigene Kunst und die Lehrberufung können eine Symbiose eingehen und sich gegenseitig fördern.
anna cramer
Im Kunstbetrieb ist heutzutage alles auf den möglichst individuellen Ausdruck angelegt. Der Perspektivenwechsel ist in besonderem Maße herauszustellen. KünstlerInnen laden dazu ein, ihr Innenleben bzw. ihre Umwelt mit ihren Augen zu betrachten. Kunst ist etwas sehr Persönliches geworden.
In der (Kunst-)Pädagogik könnte man meinen, dass das vordergründig künstlerische Tun der Lehrperson zunächst zurückgestellt werden muss, um im Ausüben der vermittelnden Tätigkeit den Lernenden einen möglichst eigenständigen Zugang zu ästhetischem Handeln zu verschaffen. So gesehen ist die Doppelrolle des Lehramt Kunst mit gewissen Spannungen verbunden, mit welchen es umzugehen gilt.
Künstlerisch tätig zu sein heißt für mich persönlich auch, in eine Art Zwiegespräch mit mir selbst zu treten. Durch die Artikulation über künstlerische Arbeiten versuche ich, mein Innenleben zu erforschen und mich selbst besser verstehen zu lernen. Ein gesundes Selbst ist meiner Meinung nach wiederum eine wichtige Voraussetzung dafür, anderen nachhaltig erfolgreich etwas beizubringen. Über den Ausgleich, welchen ich im künstlerischen Arbeiten finde, versuche ich, eine solide Grundlage dafür zu schaffen, anderen etwas Wertvolles in meinem Fachbereich mitzugeben.
Im Projekt hat sich der dynamische Wechsel zwischen selbstständigem Arbeiten und dem Austausch mit meinen Kolleginnen ausgezahlt. Durch die (meist virtuellen) Zusammenkünfte konnte ich andere Perspektiven in meinen Arbeitsprozess mit einbeziehen und über die Kommunikation ein ausgefeilteres Ergebnis erzielen.
celine loesche
Es existiert ein Spannungsfeld zwischen der Identität der Künstlerin und der Vermittlerin. Für mich persönlich zeichnet es sich ab, dass die Vermittler*innen-Rolle in den Vordergrund rückt. Um sich sicher in der Kunstwelt zu bewegen und Kunst vermitteln und lehren zu können, bedarf es der Entwicklung einer eigenen künstlerischen Position und eigener gestalterischer Fähigkeiten. So sehe ich meine Rolle darin, aufzuzeigen wie wichtig es ist, Kunst zu unterrichten und zu vermitteln, und wie durch die Kunst Erfahrungen der Selbstwirksamkeit zur Welt aufgebaut werden können. Die Herausforderung für mich ist es, aus dem künstlerischen Denken eine pädagogische Handlung erwachsen zu lassen und daraus das Spannungsfeld für mich aufzulösen.
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